So funktioniert die einzige Zauberschule des Ruhrgebiets
WAZ. Zaubern ist ein populäres Hobby, richtig lernen kann man es an der „Magic Academy“ in Witten. Die Zauberschule probt für ihre große magische Gala.
Willkommen in der einzigen festen Zauberschule des Ruhrgebiets: Die „Magic Academy“ in Witten probt gerade für ihre große Gala an diesem Wochenende. „Ein Zauberer braucht eine Bühne“, erklärt Susanne Malik. Sie, ihr Sohn Shabaz und ein dritter Zauberer stellen das Kollegium. Ihre 45 Schüler rekrutieren sich zum größeren Teil aus den Kindern der Waldorfschule, die die Zauberschule beherbergt. Nicht komplett konfliktfrei: Da werden dem Tischnachbarn Bälle aus dem Ohr gezaubert. Oder es purzeln im Unterricht Karten auf den Boden. „Das regt die Lehrer furchtbar auf, wenn wir unter dem Tisch üben“, sagt Anouk Wiemann (13), „aber es ist so praktisch.“
„Mein großer Bruder hat immer diese Tricks gezeigt“, hört man oft – oder: „Wenn man hier auf der Rudolf Steiner Schule ist, bekommt man es einfach mit.“ Wofür eben Familie Malik verantwortlich zeichnet. Schon der Vater von Susanne Malik war Zauberer, und ihrem Sohn hat sie die ersten Tricks mit vier Jahren beigebracht. Als er in die Schule kam, hat die Englischlehrerin dort eine Zauber-AG gegründet. Daraus ist die Academy geworden - und plötzlich steht „Oberhexe“ hinten auf ihrem roten Shirt, was man auch übersetzen kann mit: Drehbuchautorin, Regisseurin oder Produzent.
Im zwölften Jahr schmeißt Susanne Malik die große Gala. „Hier brauchen wir noch ein paar Lichteffekte!“ Ihr Finger kreist über einer leeren Stelle im Raum, auf die sich darauf wie von Zauberhand bunte Scheinwerfer richten werden, spätestens bei der nächsten Probe. Die Rahmenhandlung der Revue „Zauber der Zeit“ spielt in einer nahen Zukunft: „Die Magic Academy ist berühmt und ein ehemaliger Schüler ist neidisch. Mit einer Zeitmaschine versucht er …“ Nun, es wird eine wilde Jagd vor der selbstgebastelten Kulisse des alten Ägyptens, des Wilden Westens, der zwielichten Weltraumbar … und … „Die Zeitreisenden sind schon da! Nur Nelly fehlt.“
„Die hat noch Mathematik bei Frau Strunk.“
„Wir brauchen einen Thron für Kleopatra, die muss irgendwo hier sitzen.“
„Wer ist denn überhaupt Kleopatra?“„Frau Strunk.“
Kein Problem. Frau Heldt springt ein, die Französischlehrerin.
Die fünf Zeitreisenden Anouk, Carl, Jola, Erik und Benjamin sind 13 und 14 Jahre alt, seit zwei bis fünf Jahren dabei und angehende Träger des „blauen Huts“. Denn Zaubern ist wie Karate. Es gibt einen gelben, grünen und blauen, einen roten und einen schwarzen Hut. Man beginnt mit einfachen Kartentricks und Schaumbällen, die sich in der Hand verdoppeln oder verschwinden. Um den gelben Zauberhut zu erreichen, müssen die Schüler in der Gruppe auf die Bühne. Für den schwarzen Hut braucht es unter anderem eine eigene Nummer.
Denn einen Trick „gut zu verpacken und zu präsentieren“, sagt Susanne Malik, „ist schwieriger als die Technik“. Darum die Gala, darum die monatlichen offenen Abende im „TrickReich“, der Kleinbühne der Zauberschule, wo bisweilen auch potenzielle Deutsche Meister zu sehen sind. (Eintritt frei, es geht „der Hut“ rum.) Denn die Magic Academy richtet sich nicht nur an Kinder und Anfänger. Für die Workshops am Wochenende kommen auch erwachsene Hobby-Zauberer und Profis von weit her, aus dem Sauerland oder Paderborn. „Grundlagen Becherspiel Teil II“, heißt es dann oder Münzwanderung, falsche Übergaben oder Verschwindegriffe.
„Die drei wichtigsten Regeln“ auf dem Weg zum Profi- Zauberer, nennt Shabaz Malik:
1. Keinen Trick verraten.
2. Üben, üben, üben.
3. Keinen Trick zweimal vor dem selben Publikum.
Aber funktionieren denn die Tricks der Profis vor einem Zauberschüler-Publikum? „Man sieht schon eher, was der Mann auf der Bühne mit den Bällen anstellt“, sagt Anouk.
Und wie sieht’s mit Lampenfieber aus? „Vorführung gehört ja zum Waldorf-Programm“, sagt Benjamin Moos (14). „Für die Schüler aus anderen Schulen ist es sicher schwerer.“ - Ist der schwarze Hut das Ziel? Ohne wird man kaum die Aufnahmeprüfung beim „Magischen Zirkel Deutschland“, bestehen, dem Verein, der über die Geheimnisse der Profis wacht. „Dafür müsste man schon sehr viel üben“, sagt Jola Kost (13). Zuhause investieren die meisten wohl ein, zweimal die Woche eine halbe Stunde. Der Lohn auf der Bühne wie beim Familienfest: „Irgendwer ist immer erstaunt“, sagt Carl Beierle (14). „Wie hat er das nur gemacht!?“
Vierzehn Tage lang proben sie nun täglich für diesen Effekt, damit die zwei Gala-Vorführungen am Samstag (19 Uhr) und Sonntag (16 Uhr) im Festsaal der Schule zum Erfolg werden: Die vielseitige Frau Heldt verbreitet Saloon-Atmosphäre, während der jugendliche Wirt an der Bar Schnaps ganz eindeutig in den leeren Hut gießt. Doch plötzlich zaubert sein Gast daraus ein volles Glas hervor. Das Meisterstück sind jedoch die „Großillusionen“, darunter „die zersägte Jungfrau“. In diesem Fall Anouk. Und ja, dabei kann etwas schiefgehen: Über den Hals wird ihr eine Metallplatte mit Aussparung geschoben, „die ziemlich scharf ist.“ Soviel darf verraten werden: Zersägte Jungfrau ist eine körperlich anspruchsvolle Rolle.
WAZ-Bericht von Thomas Mader